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Bewegung entsteht im Gehirn

AUDIOVERSUM-Expertentalk mit Thomas Schick – Head of Neurorehabilitation STIWELL in Innsbruck

Heute stelle ich eine etwas andere Abteilung von MED-EL vor, die ausnahmsweise nichts mit dem Hören zu tun hat: Die Business-Unit Neurorehabilitation STIWELL. Diese widmet sich der funktionellen Elektrostimulation, die mithilfe von Oberflächen-Elektroden Nerven stimuliert. Somit können Muskeln wieder aktiv und Bewegungsabläufe verbessert werden. Thomas Schick, einer der beiden Leiter der Abteilung erklärt uns, wie Personen mit verschiedenen Krankheitsbildern damit wirksam therapiert werden können. Der dritte AUDIOVERSUM-Expertentalk erscheint passenderweise am diesjährigen „Welttag des Gehirns“.

AUDIOVERSUM-Expertentalk mit Thomas Schick zum „Welttag des Gehirns“ am 22. Juli 2021

Hallo Thomas, schön dass du uns heute im AUDIOVERSUM besuchst. In unserer MED-EL World veranschaulichen wir die eindrucksvolle, medizintechnische Entwicklung der Firma MED-EL. Seit kurzem ist die Ausstellung auch um das STIWELL-Exponat reicher. Wie ist die Idee dazu entstanden und was erfahren unsere BesucherInnen?

Vor genau 25 Jahren wurde STIWELL ein Teil von MED-EL. Ein idealer Anlass also, um sich auch hier im AUDIOVERSUM als Teil des erfolgreichen Unternehmens zu präsentieren. Das Exponat erklärt wie unser Gerät funktioniert und welche Krankheitsbilder damit behandelt werden können. Wir möchten zeigen, welch faszinierendes Themengebiet die Neurorehabilitation ist und unsere Begeisterung zum Thema Neuroplastizität mit den BesucherInnen des Science Centers teilen.

Das neue Exponat in der Unternehmensausstellung MED-EL World im AUDIOVERSUM Science Center

Heute ist ja der „Welttag des Gehirns“. Schreitet die Erforschung dieses wichtigen Organs voran?

Jedes Gehirn ist individuell, jedoch ein Leben lang trainierbar und somit plastisch veränderbar. Wir setzen mit der funktionellen Elektrostimulation primär im Bereich der neurologischen Erkrankungen an. Es geht um das motorische Wiedererlernen von Fähigkeiten, die beispielsweise nach einem Schlaganfall verlorengegangen sind. Das Gehirn soll lernen, Bewegungen wieder erfolgreich durchzuführen. Durch das positive Feedback wird die Plastizität gefördert, das heißt das Gehirn übernimmt bei entsprechender Wiederholung im Idealfall wieder die verlorengegangene Funktion oder kompensiert sie über eine andere Region. Diese Neuroplastizität, also die Lernfähigkeit unseres Gehirns kann eine wesentliche Voraussetzung sein, damit Patienten mit diversen Erkrankungen des Nervensystems langfristig in der Lage sind, Aktivitäten im Alltag besser durchzuführen.

Logo Welttag des Gehirns

Der Welttag 2021 ist der Multiplen Sklerose (MS) gewidmet, einer neurologischen Erkrankung, von der weltweit 2,8 Millionen Menschen betroffen sind. Können die Geräte von STIWELL auch hier therapeutisch helfen?

Multiple Sklerose ist auch die Krankheit der „1000 Gesichter“, die Symptome sind ungemein vielfältig. Genauso vielfältig gestalten sich auch die Therapieansätze, die von Patient zu Patient unterschiedlich sein können. Auch in diesem Bereich gibt es Plastizität, weshalb es lohnend ist, in der Rehabilitation auf funktionelle Elektrostimulation zu setzen. Unsere Geräte verfügen über eine EMG-Messung, welche die elektrische Aktivität der Muskulatur misst und eine individuelle Triggerschwelle (Auslöseschwelle) ermittelt. Wenn der Patient diese Schwelle erreicht wird die Stimulation ausgelöst und die Bewegung im Idealfall vollständig durchgeführt. Die Bewegung wird also vom Patienten initiiert, was dafür sorgt, dass nicht das Gerät etwas mit dem Patienten macht, sondern der Patient bestimmt, wann er die Bewegung ausführen möchte.

Die Abteilung STIWELL ist  seit 25 Jahren mit MED-EL verbunden. Was kannst Du uns darüber erzählen?

Das erste STIWELL-Elektrostimulationsgerät wurde in der Schweiz entwickelt und im Jahre 1996 von der Firma MED-EL akquiriert. Schon damals war das Produkt das führende, mehrkanalige Elektrostimulationsgerät.

Was heißt mehrkanalig genau?

Mit herkömmlichen Geräten stimuliere ich über die Nerven einen Muskel, der kann im günstigen Fall eine Funktion übernehmen oder kompensieren. Will ich aber nicht nur einen Muskel trainieren, sondern einen gesamten Bewegungsablauf – zum Beispiel das Zusammenspiel von Finger, Hand, Ellenbogen und Schultergelenk – so muss ich mehrere Kanäle und Nervenbahnen stimulieren. Hier setzt die funktionelle Elektrostimulation an. Als ich das erstmals selbst erlebt habe wie ein Patient ein Glas Wasser wieder zum Mund führen konnte, war das schon sehr faszinierend.

Thomas Schick in der Unternehmensausstellung MED-EL World im AUDIOVERSUM in Innsbruck

Du bist von deiner ursprünglichen Profession Physiotherapeut. Wie kamst du zu MED-EL?

Die Herausforderung den vielseitigen Symptomen einer neurologischen Erkrankung therapeutisch gerecht zu werden, hat mich von Anfang an fasziniert. Ich war damals Physiotherapieleiter für den Bereich Neurologie und habe mich schon früh mit Therapie-Konzepten beschäftigt. Das STIWELL-Gerät habe ich mir damals tatsächlich nach dessen Vorstellung in der Klinik mit nach Hause genommen und an mir selbst ausprobiert. So konnte ich die Funktionen testen und anschließend an PatientInnen erproben. Die Reaktionen waren sehr positiv. Daraufhin habe ich Trainingskonzepte und Seminare entwickelt und so entstand auch der Kontakt zu Innsbruck und MED-EL. Ich wurde für die Produktentwicklung, Forschung und den edukativen Zweig eingestellt, da ich gerade meinen Masterstudiengang Neurorehabilitation abgeschlossen hatte. Das hat sich alles ideal ergeben. In der Abteilung STIWELL sind wir mittlerweile 20 Mitarbeiter und verfügen über eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung (R&D). 

Wo liegt der Fokus deiner Arbeit?

Dieser liegt klar in der Entwicklung von benutzerfreundlichen Produkten rund um die Elektrostimulation, sowohl für Patienten als auch für Ärzte und Therapeuten. Zudem kommt die internationale Wissensvermittlung durch Kongresse, Vorträge, Seminare, aber auch Webinare. Ferner koordiniere ich Forschungsprojekte im Bereich der funktionellen Elektrostimulation.

Wie blickst du in die Zukunft der Forschung?

Als neurologisch ausgerichteter Therapeut befinde ich mich in einem lebenslangen Lernprozess, da die Erkenntnisse rund um die Erkrankungen in diesem Bereich einer ständigen Wissensveränderung durch intensive Forschung unterliegen. Das ist es auch was mich so fasziniert, es kommt immer auch zu neuen empirischen Erkenntnissen. Daher habe ich es nie bereut, in diesem Fachbereich tätig zu sein.

Lieber Thomas, vielen Dank für deine spannende Expertise. Zum Abschluss würde ich dich noch um deinen AUDIOVERSUM-Moment bitten. Welches Exponat gefällt dir bei uns besonders?

Mir gefällt das binaurale Spiel sehr gut, da hier das räumliche Hören auf eine spannende Art und Weise veranschaulicht wird.

Das Interview führte Michaela Pletzer.

Interessierte können auf der Website www.stiwell.medel.com mehr über die Produkte und Funktionsweisen der funktionellen Elektrostimulation erfahren. 

Thomas Schick ist auch Herausgeber eines aktuellen Standardwerks, erschienen im Springer-Verlag GmbH. Deutschland: T. Schick (Hrsg.), Funktionelle Elektrostimulation in der Neurorehabilitation – ISBN 978-3-662-61704-5 ISBN 978-3-662-61705-2

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